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Erwartungsmanagement: Erfolgreiche Nachfolgeplanung durch aktiven Dialog

07. Jun. 2022 | Lesedauer: 8 Min.

Inhaber*innen, die ihr Unternehmen abgeben wollen, wünschen sich mehrheitlich familieninterne Nachfolgen. Doch selbst wenn es geeignete und interessierte Familienmitglieder gibt, ist eine erfolgreiche Übergabe kein Selbstläufer. Häufig brechen Konflikte auf, die den Nachfolgeprozess belasten. Wie lassen sich diese aus dem Weg räumen, bevor das Generationenmanagement scheitert? Eine Schlüsselrolle spielt offene Kommunikation – und die Bereitschaft, unterschiedliche Erwartungen auf einen Nenner zu bringen. In diesem Beitrag geht es um das Erwartungsmanagement und wie Sie eine erfolgreiche Nachfolgeplanung durch einen aktiven Dialog gestalten können.

Günstige Rahmenbedingungen reichen nicht

Erfolgreiche Familienunternehmen werden in der Regel hochprofessionell geführt. Nicht selten bleibt die Nachfolgeplanung hinter diesen Ansprüchen zurück. Statt den Übergang strategisch zu planen – mit klar definierten Zielen, Projektschritten und Erfolgskontrolle – verbleibt die Nachfolgeplanung häufig im Ungefähren.

Abgebende und Nachfolgende gehen wie selbstverständlich davon aus, dass ihre eigenen Absichten und Handlungen – unausgesprochen – klar verständlich sind. Und wundern sich über das Verhalten ihres Gegenübers, wenn es nicht den Erwartungen entspricht. Oft geht dies mit einer gewissen Sprachlosigkeit einher. Anstatt Probleme offen anzusprechen, werden diese ausgeklammert und verschleppt.

Dieser Artikel argumentiert, dass abgebende und nachfolgende Generationen häufig mit unterschiedlichen Erwartungen in den Übergabeprozess einsteigen. Wenn eine Verständigung ausbleibt, führt dies unweigerlich zu Enttäuschungen – und in der Folge zu erschwerten oder gar gescheiterten Nachfolgen.

Ein Diskurs über gegenseitige Erwartungen kann dabei helfen, festgefahrene Situationen aufzulösen. Familien gehen damit einen wichtigen Schritt: Sie machen Konfliktfelder sichtbar und treten in eine Phase konstruktiven Streitens über den besten Weg ein. Im Idealfall steht am Ende eine erneuerte, generationsübergreifende Identifikation mit dem Unternehmen.

Zu Beginn einer Nachfolgeplanung zeigen sich Seniorchef*innen häufig zuversichtlich: Das Unternehmen ist gut aufgestellt. Und die nächste Generation scheint fähig und willig, das Ruder eines Tages zu übernehmen. Dabei kann jedoch leicht übersehen werden, dass günstige Rahmenbedingungen nicht ausreichen, um eine erfolgreiche Übergabe zu gewährleisten.

(c) Stocksy/sofie delauw

Für dauerhaft tragfähige Nachfolgen ist es vielmehr erforderlich, das komplexe Netz aus gegenseitigen Erwartungen in den Blick zu nehmen. Vier Spannungsfelder werden im Folgenden exemplarisch beleuchtet:

  • Belastung vs. Privileg
  • Freiraum
  • Kultur
  • Autonomie

Belastung vs. Privileg

In der Regel verfolgen Abgebende das Ziel, ihren Platz an der Unternehmensspitze nachzubesetzen. Um dieses zu erreichen, werden Kandidat*innen – je nach familiärer Situation – mit ersten Führungsaufgaben betraut oder auch direkt in die Geschäftsführung berufen. Dabei herrscht die Erwartung vor, dass der unternehmerische Nachwuchs alles geben wird, um die angebotene Chance zu nutzen. Schließlich sehen Seniorchef*innen allein die Nominierung als Auszeichnung und großen Vertrauensbeweis.

Insbesondere für junge Menschen ist diese Erwartungshaltung jedoch häufig mehr Last als Privileg. Die Nachfolge im Familienunternehmen wird als Aufgabe wahrgenommen, die das gesamte weitere Leben zu bestimmen droht und unkalkulierbare Risiken mit sich bringt. Die Entscheidung für oder wider das Unternehmen fällt zudem in eine Lebensphase, in der noch Unsicherheit hinsichtlich der eigenen Interessen und Kompetenzen vorherrscht.

Nachfolgende erwarten folglich Verständnis für ihre Situation und Unterstützung. Abgebende, die hier nicht sensibel vorgehen, müssen mit einer Absage rechnen. Oder, was im Ergebnis noch schlimmer ist: Nachfolgende sagen zu, ohne sich wirklich mit dem Unternehmen und ihrer Rolle zu identifizieren. Entsprechende Nachfolgeplanungen sind auf Sand gebaut.

 

(c) Unsplash/Remy_Loz

Freiraum

Nachfolgende haben häufig die Erwartung, ein Zukunftsfeld im Unternehmen zu besetzen – etwa ein Digitalisierungsprojekt oder neues Geschäftsfeld. Die Verantwortung eines „eigenen“ Bereichs dient dabei nicht nur der Ausbildung praktischer Fähigkeiten. Sie ist vor allem deshalb wichtig, weil die nächste Generation dadurch befähigt wird, eigene Schwerpunkte zu setzen. Nur so kann sich eine neue unternehmerische Identität entwickeln.

Abgebende haben hierfür nicht immer das notwendige Verständnis. Sie bauen eher auf Kontinuität und erwarten von Nachfolgenden, der von ihnen gesetzten Spur zu folgen. Ihre eigene Sturm-und-Drang-Zeit liegt schon zu lange zurück, um sich in die Bedürfnisse der Folgegeneration hineindenken zu können.

Ideen, die tradierte Bahnen verlassen, stehen sie folglich abwehrend gegenüber. Allerdings erscheint es unerlässlich, die Gründungsidee in jeder Generation zu aktualisieren. Andernfalls steht die Übergabe nicht für den erhofften Aufbruch – sondern für das bloße Verwalten eines unternehmerischen Erbes.

 

Der richtige Rahmen für einen Diskurs über gegenseitige Erwartungen kann die Erarbeitung einer Family Governance sein. In diesem Prozess werden die Spielregeln für Familien über Generationen festgelegt: Welche Werte und Ziele hat eine Unternehmerfamilie? Wer übernimmt welche Aufgaben? Und wie ist die Übergabe des Unternehmens geregelt? Das gemeinsame Nachdenken über die DNA des Unternehmens legt Schmerzpunkte offen und zeigt Perspektiven auf. Aber auch informelle Austauschformate im Familienkreis können ein geeigneter Startpunkt sein, um Erwartungshaltungen abzugleichen. Kontora unterstützt Sie gerne bei der Wahl des richtigen Formats – und in allen weiteren Fragen der Nachfolgeplanung.

Unternehmensinterne Kultur

Nachfolgende streben nicht nur nach neuen Betätigungsfeldern, in denen sie ihr unternehmerisches Geschick unter Beweis stellen können. Sie erwarten auch eine Aktualisierung der Unternehmenskultur und stellen Routinen in Frage: Wie lässt sich die interne Kommunikation verbessern? Passt das praktizierte Arbeitsmodell zu den Ansprüchen junger Talente? Was muss getan werden, um die Werte des Unternehmens im öffentlichen Bewusstsein zu verankern?

Die abgebende Generation tut sich häufig schwer mit diesen Themen. Solange der wirtschaftliche Erfolg keine Änderungen erzwingt, sehen sie wenig Grund zur Anpassung. Vielmehr erwarten sie von ihren Nachfolgenden, dass die bestehende Unternehmenskultur respektiert wird.

Im Ergebnis kann ein kultureller Graben entstehen, der sich mitten durch das Unternehmen zieht. Die ältere Generation versucht zu bewahren, die jüngere zu reformieren – mit negativen Folgen für die Innen- und Außenwirkung.

Autonomie

Ausgeschiedene Inhaber*innen bleiben häufig auch nach ihrem Rückzug im Unternehmen präsent. Sie behalten ihr Büro, ziehen im Beirat die Fäden oder üben über Dritte Einfluss aus. Dies geschieht nicht notwendigerweise in der Absicht, Nachfolgende zu kontrollieren. Nach vielen Jahren an der Unternehmensspitze erwarten viele Abgebende schlicht, dass ihr Rat auch weiterhin gefragt, ja unerlässlich ist.

Wer, wenn nicht sie, kann der jungen Generation zur Seite stehen und dafür Sorge tragen, dass die Firma in der Erfolgsspur bleibt? Nachfolgende erwarten in der Regel aber weitgehende Autonomie. Sie tragen nun die Verantwortung. Dieser wollen sie gerecht werden, ohne auf Befindlichkeiten ihrer Vorgänger*innen Rücksicht nehmen zu müssen.

Was nicht bedeutet, dass Nachfolgende beratungsresistent sind: Es kommt ihnen vielmehr darauf an, selbst entscheiden zu können, wann und in welchen Fragen sie Rat einholen. Ungefragt erteilte Ratschläge können als „Draufschläge“ wahrgenommen werden. Eine vorausschauende Nachfolgeplanung sollte festlegen, welche Rolle Abgebende nach ihrem Ausscheiden einnehmen. Familien müssen andernfalls mit steter Unruhe rechnen.

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