Folge 21 - Dr. Hans-Dietrich Reckhaus

Biozide, Landschaftsgartenbau und eine Fliege im Wellnesshotel: Dr. Hans-Dietrich Reckhaus (Reckhaus) im Gespräch mit Kontora Geschäftsführer Stephan Buchwald.

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Die Themen dieses Podcasts mit Hans-Dietrich Reckhaus:

  • Was Reckhaus macht (00:01:00)
  • Ein kurioser Generationswechsel (00:06:38)
  • Über Fliege Erika (00:14:40)
  • Warum Marketing nicht ausreicht (00:21:28)
  • Reduktion als Unternehmensziel (00:30:56)
  • Neues Spielfeld Landschaftsgartenbau (00:41:49)
  • Unternehmerische Vorbilder (00:47:41)
  • Neues Verständnis von Ökonomie (00:57:27)
  • Drei Schlussfragen (01:01:15)

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Hans-Dietrich Reckhaus im Kontora Unternehmer Podcast.

Ein Unternehmer, der seine eigenen Produkte für grundfalsch hält und freiwillig mit Warnhinweisen ausstattet? Der als „grünes Schaf“ der Branche vom Verband der chemischen Industrie geschnitten wird, da er den Markt „versenken“ will? Unser Gast im Kontora Unternehmer Podcast, Hans-Dietrich Reckhaus, stellt Insektenvernichtungsmittel für den Hausgebrauch her, sogenannte Biozide – und engagiert sich gleichzeitig im Kampf gegen das Insektensterben. Am Firmensitz in Bielefeld berichtet er, wie ihm zwei Konzeptkünstler die Augen geöffnet haben, warum er mehr will als seinen ökologischen Fußabdruck zu reduzieren und was es mit einer Fliege namens Erika auf sich hat.

Alles habe 2012 mit Frank und Patrik Riklin begonnen. Die Schweizer Konzeptkünstler sollten Reckhaus helfen, eine insektizidfreie Fliegenfalle zu bewerben – mit kreativen Ideen und für ein Honorar, das den kleinen Mittelständler nicht überfordert. Doch statt sich auf ihren Auftrag zu beschränken, übten sie unbequeme Kritik: „Hans, wir haben lange über dein Produkt nachgedacht, und dein Produkt ist einfach nur schlecht. Es tötet Fliegen.“ Um den Wert von Fliegen zu unterstreichen, schlugen sie vor, eine Fliege namens Erika in den Wellnessurlaub zu schicken, stellvertretend für all die Fliegen, die es zu retten gilt. Zuerst habe er abgesagt, so Reckhaus, aber nach zwei schlaflosen Nächten doch eingewilligt.

 

„Man bekommt ein richtig schlechtes Gewissen, wenn man eins meiner Produkte kauft.“

Hans-Dietrich Reckhaus

Reckhaus

Mehr als Marketing

Das Urteil der Riklins sei ihm nahe gegangen: „Wenn ich töte, muss ich auch retten“, diese Ethik habe ihm eingeleuchtet. Doch was tun, das über den Showeffekt einer Marketingaktion hinausgeht? Gemeinsam habe man schließlich eine Lösung gefunden, um das Retten von Fliegen im Reckhaus Geschäftsmodell zu verankern: Der entstehende Schaden solle künftig kompensiert werden, ähnlich wie bei einer CO²-Abgabe. Nicht 1.000 Fliegen töten und zehn retten sei das Ziel. „Nein“, habe er gesagt, „jetzt machen wir es konsequent, 1.000 Fliegen töten auf der einen Seite und auf der anderen Seite legen wir insektenfreundliche Lebensräume an, um wiederum 1.000 Fliegen eine neue Heimat zu geben.“

Auf diese Weise sei ein zweiter Geschäftsbereich entstanden, so Reckhaus. Sein Unternehmen, das neben eigenen Produkten auch für große Drogeriemärkte wie Rossmann produziert, vertreibt das Gütesiegel „Insect Respect“. Wer es nutzen will, muss Lizenzgebühren zahlen, die wiederum in Kompensationsprojekte fließen. Doch der Erfolg sei erstmal ausgeblieben. „Niemand hat uns verstanden. Ich habe nur Kritik geerntet und niemand wollte dieses Gütesiegel.“ Und so habe er plötzlich viel Zeit gehabt, so Reckhaus. Diese habe er genutzt, um über Insekten zu lesen. Und was er las, bestürzte ihn: In den vergangenen 40 Jahren sei der Bestand an Biomasse bereits um 75 Prozent gesunken.

„Mein Vater hat immer gesagt: Mit deinen Auszeichnungen kannst du die Lieferantenrechnungen auch nicht bezahlen.“

Hans-Dietrich Reckhaus

Reckhaus

Gegen alle Widerstände

Was verrückt sei, da 90 Prozent aller Pflanzen die Bestäubung von Insekten brauchen. „Kurz gefasst: Eine Welt ohne Insekten ist eine Welt ohne Pflanzen und Tiere“, sagt Reckhaus im Podcast. Kompensation sei schön und gut, aber bei Weitem nicht ausreichend. Vielmehr brauche es eine Reduktion des Marktes. „Ich habe mich von jetzt auf gleich entschieden, einen Warnhinweis auf alle meine Produkte zu bringen.“ Kund*innen müssen sich seitdem mit der Botschaft „dieses Produkt tötet wertvolle Insekten“ auseinandersetzen. Gleichzeitig bieten die Packungen Tipps, wie sich ein Insektenbefall vermeiden lässt. „Man bekommt ein richtig schlechtes Gewissen, wenn man eins meiner Produkte kauft“, so Reckhaus.

Freund*innen habe er sich so keine gemacht, weder in der Branche, noch im Unternehmen. „Alle waren gegen mich. Alle Mitarbeiter, alle Geschäftspartner, auch die Hausbank.“ Schließlich hätten ihm seine Mitarbeitenden nicht mal mehr guten Morgen gesagt. Der ausbleibende Erfolg machte sich auch monetär bemerkbar, in den vergangenen zehn Jahren habe er jedes Jahr weniger Geld verdient. Auch sein Vater Klaus, der das Unternehmen 1956 gegründet hatte, blieb skeptisch, woran auch die zahlreichen Auszeichnungen nichts änderten, die Reckhaus über die Jahre für sein Engagement erhielt. „Mein Vater hat immer gesagt: Mit deinen Auszeichnungen kannst du die Lieferantenrechnungen auch nicht bezahlen.“

„Kurz gefasst: Eine Welt ohne Insekten ist eine Welt ohne Pflanzen und Tiere.“

Hans-Dietrich Reckhaus

Reckhaus

Befreiung von der Ökonomie

Erst nach langen fünf Jahren sei es gelungen, erste Kund*innen für das „Insect Respect“ Siegel zu gewinnen. Doch allmählich würden die Zahlen wieder aufwärts gehen. Mittlerweile arbeitet Reckhaus mit den großen Drogerieketten im deutschsprachigen Raum zusammen. Auch über sein Stammgeschäft hinaus gibt es Interesse: So melden sich Unternehmen und Städte, die mit Insektenbekämpfung gar nichts zu tun haben, aber ökologische Wüsten in Insektenparadiese verwandeln wollen. „Die ersten Anfragen habe ich abgewehrt, aber irgendwann klopften dann Unternehmen wie Ritter Sport und Ikea an und da sagte ich mir, allmählich musst du dich bewegen.“

Wünschen würde er sich, so Reckhaus im Unternehmer Podcast, dass auch andere seinem Beispiel folgen und ein neues Verständnis von Ökonomie entwickeln. So solle es nicht darum gehen, in einem ersten Schritt möglichst viel Geld zu verdienen, um damit im Anschluss Gutes zu tun, vielmehr wolle er möglichst viel Sinnvolles erreichen und damit auch Geld verdienen – ein Paradigmenwechsel. Nur so könne es gelingen, Einfluss auf das gesellschaftliche Bewusstsein zu nehmen. „Diese Radikalität, die ich an den Tag gelegt habe, die hat nicht nur Freude bereitet, sondern sie war die Voraussetzung für die Glaubwürdigkeit, die ich heute habe.“

Kontora Insights

Im Gespräch mit Stephan Buchwald erzählt Hans-Dietrich Reckhaus außerdem, warum er seinen Weg zum Unternehmer beinahe frühzeitig abgebrochen hätte, wie Kunst beim Hinterfragen von Geschäftsmodellen helfen kann und welche Unternehmerpersönlichkeiten ihn stets aufs Neue inspirieren. Gleich reinhören und den Podcast abonnieren!

 

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