Vor 25 Jahren gab es zwischen Kiel und Passau kein einziges Büro, das sich um mehrere Familienvermögen kümmerte, heute sind es schätzungsweise 40, hinzu kommen etwa 700 Single-Family Offices, die lediglich für einen Clan arbeiten. Beispiele: die Jacobs Holding (Kaffeeröster) und die Mayfair Vermögensverwaltung der Tchibo-Erben Daniela und Günther Hertz. Nach Beobachtungen der Familienbüro-Expertin Yvonne Brückner von der Dualen Hochschule Baden-Württemberg ist die Branche der Finanz-Concierges in den vergangenen zehn Jahren um „jährlich etwa 10%“ gewachsen. Der Run ist, so haben Umfragen ergeben, zum Großteil auf das Misstrauen von Unternehmerfamilien gegenüber Banken zurückzuführen, die eigene Interessen vertreten und eigene Produkte verkaufen. Ein Family Office ist autonom und handelt ausschließlich im Interesse seiner Auftraggeber. Das passe zum Wunsch vieler Unternehmerfamilien „nach einer individuellen Geldanlage für ihr Vermögen“, wie Jörg Winner sagt, Leiter des Kompetenzteams Family Offices bei Deka Institutionell. Das hohe Maß an Freiheit wird genutzt: Wie Untersuchungen zeigen, machen alternative Anlageklassen wie Private Equity oder Absolute Return-Strategien einen großen Teil am Vermögen reicher Familien aus. Zudem erbringen Family Offices im Gegensatz zu Finanz- und Investmentexperten, die sich auf rein finanzielle Ziele beschränken, strategische, taktische und operative Leistungen.
Private Equity hat sich als Kern-Anlageklasse etabliert
„Unser Ziel ist es immer, generationsübergreifend und unabhängig vom Kapitalmarkt eine Vermögensmehrung zu erreichen“, macht Ramona Golz, Partnerin im Hamburger Family Office Kontora, klar. Die Hanseaten betreuen 40 Unternehmerfamilien mit einem Gesamtvermögen – je nachdem, ob man „Assets under Reporting“ oder „Assets under Advisory“ berücksichtigt – von 3 Mrd. EUR bzw. 5 Mrd. EUR. Ein wichtiges „Spielfeld“: Private Equity. „Unsere Mandanten sind mit bis zu 25% ihres Vermögens in Private Equity-Fonds investiert“, erläutert Golz. Grund: „Die Renditen von vielfach über 15% p.a. bei Laufzeiten von acht Jahren plus.“ Auch im Grünwalder K5 Family Office habe sich Private Equity „als Kern-Anlageklasse etabliert“, wie Geschäftsführer Dr. Julius Neuberger sagt. Das liege auch daran, „dass diese Anlageklasse leicht und kostengünstig über Privatbanken abzubilden ist und Zugang zu den besten Managern ermöglicht“. K5 investiert sowohl in Fonds als auch direkt in Venture Capital Companies dieser Fonds. „So outsourcen wir die frühe, sehr arbeitsintensive Phase an selektierte Fondsmanager“, erläutert Dr. Neuberger. „Zugleich verfolgen wir die Investments dieser Fonds auf Portfolioebene und haben so die Möglichkeit, in den Folgefinanzierungsrunden der Beteiligungen direkt zu investieren.“ Auf diese Weise bekomme K5 Zugang zu Märkten in den USA und Asien, „ohne das übliche Problem der Negativauslese im Dealflow zu haben“. Viele andere Family Offices seien mit Venture Capital-Engagements dagegen noch zurückhaltend.
Investments in Beteiligungskapital sind aufwendig
Bis vor drei Jahren galt das auch für Kontora. „Mittlerweile investieren wir aber durchaus auch hier“, sagt Ramona Golz, „denn die besten Venture Capital-Fonds verzeichnen sehr gute Renditen.“ Allerdings müsse man genau hinsehen. In den ersten drei Monaten 2018 habe das 40-köpfige Kontora-Team allein 25 Private Equity-Fonds und elf Venture Capital-Fonds unter die Lupe genommen, von denen nur drei die Prüfung bestanden: „So ein Aufwand bringt ein Single Family Office an seine Kapazitätsgrenzen.“ K5 mit sieben Mitarbeitern ist Family Office einer Münchner Familie. Die Affinität zu Venture-Direktbeteiligungen ist hoch. Die Option, direkt in junge, wachstumsstarke Companies zu investieren, nutzen auch andere Familienbüros gerne, wie Neuberger festgestellt hat: „Oft auch aus persönlichem Interesse.“ Sein Prinzipal Philipp von dem Knesebeck habe sich als Managing Partner des Investmenthauses Blue Future Partners nicht nur in Eigenregie einen Zugang zur Anlageklasse Venture Capital aufgebaut, sondern in den letzten fünf Jahren mehrere Hundert Venture Capital-Manager persönlich kennengelernt: „So spiegelt sich in unserer Strategie und unserem Investmentfokus der unternehmerische Ansatz wider.“
Fondsinvestments erfordern weniger Know-how
Knesebeck hat eine Venture Capital-Strategie für Family Offices und andere professionelle Investoren erstellt. Darin vergleicht er etwa direkte und indirekte Investitionen im Technologiebereich. Ergebnisse: Die Direktinvestition ermögliche unmittelbare Interaktion mit dem Unternehmen, sei aber zeitintensiv. Zudem sei der Anleger weitestgehend auf Länder beschränkt, in denen er geografisch präsent sein kann. Und: Wer nicht breit streue, müsse mit einem hohen Einzelausfallrisiko leben. Über Fonds-Investments sei eine Diversifikation über verschiedene Unternehmen, Branchen und Regionen einfacher zu erreichen, es werde weniger Zeitaufwand und weniger Knowhow benötigt.
Direktinvestments: Kommunikation auf Augenhöhe
Dass sich erfolgreiche Ex-Unternehmer – quasi aus Leidenschaft – gerne bei Frühphasen-Start-ups engagieren, bestätigt Kontora-Partnerin Golz: „Investor und Jungunternehmer kommunizieren auf Augenhöhe, sprechen die gleiche Sprache, verstehen sich.“ Man erinnere sich an seine eigenen unternehmerischen Anfänge, wolle den Mut und die Überzeugung des Newcomers unterstützen. Auch Frank Hölzle, CEO von Care4, der Managementgesellschaft des Family Offices Wecken & Cie. in Basel, sieht Parallelen zwischen der unternehmerischen Vergangenheit von Klaus Wecken, Mitgründer und Vorstand der KHK Software AG, die 1997 an die Sage-Gruppe verkauft wurde, und dessen Investitionsfokus: „Ein Großteil unserer 20 Direkt beteiligungen entfällt auf Software- und Tech Companies.“ Die Arbeitsweise von Care4 entspreche dieser Philosophie, man gehe sehr unternehmerisch vor, entscheide schnell und agiere „partnerschaftlich“. Dass Direktinvestments besondere Chancen beinhalten, betont Family Office-Chef Jens Spudy: „Aufgrund der unterschiedlichen Risikoparameter und des besonderen Ausgangsprofils im Vergleich zu den üblichen Anlageklassen erlauben Direktbeteiligungen eine breitere Diversifikation, sind aufgrund von Intransparenzen, Management und Marktrisiken aber auch anspruchsvoller in der Betreuung.“ Das setze Kompetenz des Familienbüros voraus, Spudy (42 Mitarbeiter, 100 Mandanten, 11 Mrd. EUR betreutes Vermögen) verfüge über Expertise in den Bereichen Medizin und Digitalisierung.
Herausforderung: Aufbau eines kompetenten Teams
Über mangelnde Nachfrage können sich renommierte Family Offices nicht beschweren. Der Bottleneck ist vielmehr die Rekrutierung von Mitarbeitern. Kontora beispielsweise schaut sich nach geeigneten Kandidaten bei Strategie- und M&A-Beratungsfirmen, Fondshäusern und -boutiquen sowie den großen Wirtschaftsberatungsgesellschaften um. Es sei aber, so Golz, „extrem schwierig, gute Leute zu finden, die nicht etwas verkaufen, sondern wirklich beraten wollen“. Darauf komme es an: beraten, nicht verkaufen! „Hervorragende Leute zu finden ist aktuell eine der größten Herausforderungen“, konstatiert K5-Geschäftsführer Neuberger. Er nutzt andere Family Offices und Fonds- Manager als Sparringspartner, „um die eigene Expertise und Erfahrung zu ergänzen“. Auch das Spudy Family Office schaut beim Aufbau eines kompetenten Teams über den Belegschaftstellerrand hinaus. „Man braucht im Team Experten mit Erfahrung und Visionen, ein Netzwerk von Branchenkennern, um Projekte kompetent bewerten zu können“, erläutert Jens Spudy. „Die müssen aber nicht unbedingt auf der eigenen Payrole stehen, können auch externe Top-Leute sein.“
Das PDF des Kontora Family Office mit dem Titel "Family Offices sind offen für Private Equity UND Venture Capital" finden Sie hier zum Download.